Rund 80 Zuhörerinnen und Zuhörer folgten gebannt den Ausführungen und Diskussionen der drei Vortragenden - und beteiligten sich selbst - bei der Görres-Podiumsdiskussion zum Thema "Mit Gott auf unserer Seite? Zur Beziehung von Religion und Außenpolitik"
Die Veranstaltung im Rahmen des 102. Deutschen Katholikentages in Stuttgart fand am Donnerstag, dem 26. Mai 2022, statt (Details hier) (hier der Link zum Programmpunkt beim Katholikentag).
Bei der Podiumsveranstaltung wurden die wechselseitigen Beziehungen zwischen Religion und Außenpolitik beispielhaft dargestellt und diskutiert. In seinem einführendem Statement betonte Benediktinermönch Pater Dr. Nikodemus Schnabel, Direktor des Jerusalemer Instituts der Görres-Gesellschaft, dass Religionen eine Verantwortung für die Gesellschaft insgesamt hätten, die weit über eine "Friesendsethik" hinaus gehe. Religionen eröffneten Reflexionsräume und führten ein "freches Aus-der-Welt-Gefallen-Sein". Im zweiten Eröffnungsstatement betonte Dr. Regina Elsner, Theologin am Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS) und Analystin des Krieges Russlands gegen die Ukraine, dass die russisch-orthodoxe Kirche eine aktive Rolle in der Kriegspolitik Putins spiele. Sie liefere die religiöse Begründung für den Krieg und sei Teil der russischen Aggressions-Ideologie. Dritter Experte auf dem Podium war der Bonner Politikwissenschaftler Prof. Dr. Ulrich Schlie, Direktor des Center for Advanced Security, Strategic and Integration Studies (CASSIS). Er stellte dar, wie grundlegend sich die Welt seit dem Jahr 1989 geändert habe. Europa müsse sich den geänderten Bedingungen anpassen und seine eurozentristische Sicht ablegen: "Entwicklungen in Asien und dem Pazifik führen dazu, dass wir über unsere Positionen nachdenken müssen."
In der anschließenden Diskussion spielte beispielsweise die Frage eine Rolle, in wieweit Waffenlieferungen an die Ukraine gerechtfertigt seien. Leider sei der einzige Weg derzeit, der Ukraine zu helfen, die Lieferung von Waffen. Ein aktuelles Interview von Pater Nikodemus anlässlich des Katholikentages, in dem er auch über die Veranstaltung spricht, finden Sie hier.
Zum Abschluss der Podiumsdiskssion fragte die Moderatorin, Frau Sarah Delere, M.P.P., Wiss. Mitarbeiterin am Institut für Theologie und Frieden (ithf), Hamburg, welchen Satz die Diskutanten in einem Koalitionsvertrag gerne lesen würden. Die Antwort Frau Dr. Elsners konnten alle teilen: "Die Bunderegierung sollte sich verpflichten, die wissenschaftliche Expertise zu Religionen und ihrer Beziehung zur Außenpolitik zu stärken."
Eine zweite Podiumsveranstaltung führte die Görres-Gesellschaft in Zusammenarbeit mit der Kommission für Zeitgeschichte, Bonn, am Freitag, dem 27. Mai 2022, durch.
Dabei stand die Frage "Katholisch sein? Katholisch bleiben? Wie Glauben und Kirche in Deutschland gelebt werden" im Mittelpunkt des Interesses. Die Veranstaltung stieß auf so großen Zuspruch, dass Interessenten aufgrund Platzmangels abgewiesen werden mussten, so dass schließlich mehr als 100 Zuhörerinnen und Zuhörer im voll besetzten Tagungsraum Platz fanden.
Zu Beginn der Podiumsdiskussion stellten vier Expertinnen und Experten ihre jeweilige Sichtweise des Themas in Kurzvorträgen vor.
Dr. Christoph Kösters, Theologe und Zeithistoriker, Bonn von der Kommission für Zeitgeschichte (KfZG) sprach über Tendenzen des langfristigen Wandels pastoraler Strukturen im Spiegel des „Kirchgangs“ und kirchlicher „Leitbilder“.
Es folgte Prof.in Dr. Regina Polak, Praktische Theologin aus Wien, die über die veränderte Weitergabe von katholischem Glauben und Selbstverständnis entlang von Generationen und der sie jeweils prägenden lebensweltlichen Erfahrungen berichtet.
Im Anschluss präsentierte Prof. Dr. Antonius Liedhegener, Politikwissenschaftler und Historiker aus Luzern seine Studienergebnisse zu Strukturen und Typen katholischer Religiosität und deren Auswirkungen auf das Handeln von Katholik:innen und ihrer Kirche in Zivilgesellschaft und Politik.
Abgeschlossen wurde der Reigen von Kurzvorträgen durch Prof. Dr. Hubert Knoblauch, Soziologe von der TU Berlin, der Erklärungen der gegenwärtigen Lage von Kirche und Katholizismus durch deren Vorortung im größeren gesellschaftlichen Wandel suchte.
Geleitet wurde die Veranstaltung durch die Theologin Ruth Jung von der Universität Bonn.
In Beiträgen und Fragen des Publikums wurde deutlich, wie tiefgehend die gegenwärtige Krise der Kirche empfunden wird. Die Veranstaltung erfüllte die Erwartung, die Zukunft der Kirche im Licht von Faktenwissen zu diskutieren. Die Veranstaltung verstand sich als ein Beitrag zu einer Erneuerung der empirischen Religionsforschung zu Katholik:innen und katholischer Kirche und deren Bedeutung für Zivilgesellschaft und Demokratie in Deutschland.
In einem Beitrag von BR24 wird über den Katholikentag berichtet, darin sind zu Beginn (ab Minute 3:00) O-Töne aus der Veranstaltung von Prof. Knoblauch und Prof. Liedhegener zu hören. Zum Mitschnitt gelangen Sie hier. Über die Veranstaltung wurde auch in einer Pressemitteilung des Katholikentages berichtet, den Bericht finden Sie hier.