Unter dem Rahmenthema “Begegnung mit Religion(en)” startete am Samstag, dem 15. März 2025, die vierte Studienreise des Jungen Forums der Görres-Gesellschaft. Am Sonntag begann das Programm der aus rund 20 jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bestehenden Gruppe mit dem Besuch des Gottesdienstes im Stephansdom am Morgen. Danach führte die wissenschaftliche Begleiterin der Studiengruppe, die Passauer Historikerin Prof. Dr. Britta Kägler, in die Geschichte des Zentrums der Stadt Wien ein. Am Nachmittag stand der Besuch des Heeresgeschichtlichen Museums im Mittelpunkt, wo eine sachkundige Führerin ein besonderes Augenmerk auf die Geschichte des I. Weltkriegs legte. Besonders beeindruckt zeigten sich die Teilnehmenden von einem Saal, der der Ermordung des Österreichischen Thronfolgers, Erzherzog Franz Ferdinands und seiner Gattin am 28. Juni 1914 in Sarajewo gewidmet ist. Ausgestellt sind u.a. der damals verwendete Wagen, an dem man ein Einschussloch vom Attentat sehen kann. Es folgte ein Rundgang durch die Ausstellung, wobei insbesondere die gewaltige Kanone, die im I. Weltkrieg Verwendung fand, einen Eindruck von der technischen Dimension des Krieges vermittelte.
Die Studienreise wurde am Montag, dem 17. März 2025, mit einem Besuch des Parlamentsgebäudes in Wien, dem Sitz der beiden Kammern des Österreichischen Parlaments, des Nationalrats und des Bundesrats, fortgesetzt. An die Führung durch das Parlamentsgebäude schoss sich ein Gespräch mit der Abgeordneten zum Nationalrat, Frau Dr. Gudrun Kugler (ÖVP) an. Sie appellierte leidenschaftlich dafür, den christlichen Wertehorizont in die Politik einzubringen, gerade wenn es um Entwicklungen wie den demografischen Wandel oder die Perspektiven Europas geht. Gerne hätten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer diese spannende Diskussion fortgesetzt, aber der nächste Programmpunkt wartete bereits: eine Exkursion zum Stift Heiligenkreuz und der Philosophisch-Theologischen Hochschule Benedikt XVI. Beim Besuch des Stiftes stand zunächst die Führung durch die umfangreiche Kunstsammlung durch P. MMag. Roman Nägele OCist an. In außerordentlich kompetenter wie auch originell-humorvoller Weise brachte er den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Geschichte der Sammlung, die eng mit dem Stift verwoben ist, nahe und zeigte einige Prunkstücke derselben. Im Anschluss besuchte die Gruppe die Hochschule Heiligenkreuz, trat in ein interessantes Gespräch mit dem Rektor der Hochschule, Prof. Dr. Wolfgang Klaunsitzer ein, ehe ein Vortrag des Kölner Theologen Prof. Dr. Manuel Schlögl zum Thema “Theologie und Heiligkeit 2.0 - Was die Heiligen der Theologie zu denken geben” den Tag abrundete.
Mit einem außerordentlich inspirierenden Vortrag des seit vielen Jahren in Wien lebenden Medizinethikers und Theologen Prof. Dr. Dr. Mathias Beck begann das Programm am Dienstag, dem 18. März 2025. Er erläuterte den Teilnehmerinnen und Teilnehmern seinen eigenen Weg zum christlichen Glauben, indem er ihnen sein „Pauluserlebnis“ schilderte. Beck forderte zu einem „aufgeklärten Christentum“ auf, das Auskunft über den eigenen Gauben geben könne: „Atheismus entsteht durch schlecht vermitteltes Christentum“, so eine seiner Hauptaussagen. Es folgte ein Vortrag von Frau Mag.a Gabriele Eder-Cakl, der Direktorin des Österreichisches Pastoralinstitut. Sie blickte auf die Weltsynode und die Reformbewegungen der Kirche in Deutschland im Synodalen Weg, den sie eingebunden in weltweite Reformbemühungen sieht. Den Nachmittag verbrachte die Gruppe auf Einladung von Brigadier General Dr. Nikolaus Rottenberger, der wesentliche Teile des Gesamtprogramms der Studienreise organisierte, im Bundesministerium für Landesverteidigung. Die Diskussionen dieses Nachmittags standen ganz im Zeichen der „Zeitenwende“, des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und der Notwendigkeit, angesichts einer unsicher werdenden Bündnispartnerschaft der USA unter Donald Trump, die eigene Verteidigungsfähigkeit massiv zu erhöhen. Neben Brigadier Dr. Rottenberger betonte dies auch Arnold Kammel, Generalsekretär im Ministerium (vergleichbar eines Staatssekretärs in einem deutschen Ministerium). In einem anschließenden Podiumsgespräch wurden diese Positionen durch weitere Vertreter des Ministeriums und aus der Wirtschaft diskutiert und unterstrichen.
Einen weiteren Höhepunkt des Tages und er der gesamten Studienreise bildete der Abend im Figlhaus, wo eine Veranstaltung mit dem Schriftsteller Robert Menasse stattfand, an der die Görres-Gesellschaft als Kooperationspartner beteiligt war. Nach der Begrüßung durch Herrn Mag. Michael Frey referierte Robert Menasse zu seinem Nachdenken über die Gegenwart und Zukunft Europas. Pointiert brachte Menasse den Nationalismus als Wurzel schwelender Konflikte zur Sprache, in dessen Namen im 20.Jahrhundert unsagbare Menschheitsverbrechen begangen worden seien. „Der Prozess, der zur heutigen Europäischen Union geführt hat, war von Anfang an als ein nachnationaler Prozess gedacht, als ein Prozess der Überwindung des Nationalismus“, so Menasse. Mitunter kritisch diskutiert wurde seine Zukunftsvision von Europa, die er u.a. in der Abschaffung der Nationalstaaten und der Einführung eines europäischen Passes sieht. Mehr zur Veranstaltung können Sie hier lesen.
Reich an Höhepunkten war auch der nachfolgende Tag der Studienreise, Mittwoch, der 18. März 2025. Der Morgen gehörte dem Besuch der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Der Gruppe wurde die Ehre zuteil, dass sowohl die deutsche Botschafterin bei der OSZE Susanne Schütz, als auch der österreichische Botschafter Mag.phil. Florian Raunig, ihnen die Geschichte und Gegenwart der OSZE nahe brachte. Dabei betonten beide, vor welch große Herausforderungen angesichts einer „doppelten Zeitenwende“ mit dem russischen Angriffskrieg und einer Abwendung der USA von multilateraler Zusammenarbeit und internationalen Organisationen, die OSZE gestellt ist. Besonders plastisch konnte dies die Gruppe erleben, als sie als Gast an einer Sitzung des Forums für Sicherheitskooperation der OSZE teilnehmen durfte. Von der russischen Delegierten wurden dabei – im Propagandaton - massive Vorwürfe an die Ukraine und westlichen Staaten laut, die von EU-Vertretern zurückgewiesen wurden.
Der Nachmittag dieses Tages führte die Gruppe außerhalb des Zentrums von Wien zur Militärseelsorge. Militärerzdekan Dr. Harald Tripp, lic.jur.can.,LL.M hatte drei weitere Religionsvertreter zu diesem Treffen geladen, den Superintendenten der evangelischen Kirche, den Imam der muslimischen Gemeinde, Kenan Čorbić, sowie den Betreuer der orthodoxen Christen beim Österreichischen Bundesheer. Alle vier Personen vermittelten den Eindruck, dass sie sich in außerordentlich großem Maße um die ihnen anvertrauten Grundwehrdienstleistenden kümmern.
Der Abschlusstag dieser Studienreise, Donnerstag der 20. März 2025, begann mit einem Besuch der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien. Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Studienreise war dieser Besuch außerordentlich wichtig, blicken sie doch voller Sorge auf den wachsenden Antisemitismus in Europa. So spielte dieses Thema beim Gespräch mit dem Oberrabbiner Jaron Engelmayer und dem Generalsekretär der Kulturgemeinde, Benjamin Nägele, eine zentrale Rolle.
Mit einem Besuch des Stephansdoms und der versierten und außerordentlich fachkundigen Führung durch Domarchivar Reinhard H. Gruber, MA, endete die vierte Studiereise des Jungen Forums der Görres-Gesellschaft.
Großer Dank gilt allen, die sich Zeit für diese außerordentlich wichtigen Gespräche nahmen. Ganz besonderer Dank an Herrn Brigadier Dr. Nikolaus Rottenberger für seine außerordentlichen Verdienste um Anbahnung und Planung der zahlreichen Gespräche. Damit wurde eingelöst, was Studienreisen der Görres-Gesellschaft versprechen: Türen öffnen, die ansonsten verschlossen sind. Herzlicher Dank auch und vor allem an Prof. Dr. Britta Kägler für die wissenschaftliche und menschlich so warmherzige Betreuung!