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Nachrichten der Görres-Gesellschaft

15.05.24

Tagung zur Reform des Abtreibungsrechtes in Berlin: „Helfen und ermutigen, nicht bestrafen!“

Podiumsdiskusson mit MdBs (von links): Dr. Thorsten Lieb, Elisabeth Winkelmeier-Becker, Moderator Prof. Dr. Oliver Tolmein, Maria Klein-Schmeink und Leni Breymaier

Prof. Dr. Christian Hillgruber

PD Dr. Katarina Weilert

Prof. Dr. Franz Josef Bormann

Podiumsdiskussion I (von links): Franz Josef Bormann, Frauke Brosius-Gersdorf, Ansgar Hense, Liane Wörner, Gunnar Duttge, Katarina Weilert

Unter dem Titel „Reform des Abtreibungsrechts – § 218 StGB – quo vadis?“ fand am Mittwoch, dem 15. Mai 2024 in der Katholischen Akademie in Berlin eine Fachtagung zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin statt, die sich mit den Empfehlungen der von der Ampelkoalition am 31. März 2023 eingesetzten Fachkommission (Bericht hier) auseinandersetzte. Aufgabe dieser Kommission war u.a. die Prüfung zu Regulierungen für den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches. Den Bericht der Kommission vom 1. Februar 2024 finden Sie hier.

Die Tagung wurde gemeinsam von der der Görres-Gesellschaft, der Juristenvereinigung Lebensrecht e.V., der Forschungsstelle für Katholisches Kirchenrecht des Erzbistums Berlin sowie der Katholischen Akademie in Berlin veranstaltet (den Ablaufplan finden Sie hier). Zu Beginn begrüßte Dr. Maria-Luise Schneider, stellvertretende Direktorin der Katholischen Akademie in Berlin, die mehr als 50 Anwesenden, darunter zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Ministerien, Wissenschaft und Verbänden.

Zu Beginn des ersten Panels gab Prof. Dr. Christian Hillgruber von der Fakultät für Rechts- und Staatswissenschaften an der Universität Bonn einen Überblick über wesentliche Ergebnisse der Fachkommission, die er zum einen in der Forderung nach Straffreiheit in der Frühphase der Schwangerschaft, also innerhalb der ersten zwölf Schwangerschaftswochen sah. „Hier sollte der Gesetzgeber tätig werden und den Schwangerschaftsabbruch rechtmäßig und straflos stellen“, so die Formulierung der Kommission. In der mittleren Schwangerschaftsphase solle dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zustehen, während ab dem Zeitpunkt der Lebensfähigkeit des Fötus außerhalb des Mutterleibs Abtreibungen nicht zu erlauben seien, so die Forderung der Kommission.

Es folgte eine kritische Bewertung der Ergebnisse der Fachkommission, zunächst durch Frau PD Dr. Katarina Weilert von der juristischen Fakultät der Universität Heidelberg bzw. der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft. Sie wies u.a. darauf hin, dass der Bericht offen lasse, wann von menschlichem Leben gesprochen werden könne und sah den zentralen Begriff der Menschenwürde im Bericht nur unzureichend reflektiert.

Den Abschluss dieses Blocks bildeten die Ausführungen des Tübinger katholischen Moraltheologen Prof. Dr. Franz Josef Bormann, der sich u.a. zu den sozialen Dimensionen von Schwangerschaftsabbrüchen äußerte. So sah er eine Entkopplung von „Freiheit und Verantwortung“ und sprach von einem „zunehmend entgrenzten Selbstbestimmungsdenken“. Besonders hob er den Begriff der „Gerechtigkeit“ hervor und forderte, angesichts von rund 100.000 durchgeführten Abtreibungen im Jahr in Deutschland stärkere soziale Unterstützung von Frauen in Notlagen.

An der anschließenden Podiumsdiskussion nahmen neben PD Weiler und Prof. Bormann mit Frau Prof. Dr. Liane Wörner vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Konstanz und Frau Prof. Dr. Frauke Brosius-Gersdorf von der Juristischen Fakultät der Universität Potsdam zwei Vertreterinnen der Expertenkommission selbst teil. Prof. Dr. Gunnar Duttge von der Juristischen Fakultät der Universität Göttingen komplettierte die von Prof. Dr. Ansgar Hense von der Forschungsstelle für Katholisches Kirchenrecht des Erzbistums Berlin geleitete Podiumsdiskussion. Frau Prof. Wörner hob hervor, dass es das zentrale Anliegen der Kommission gewesen sei, Wege aufzuzeigen, um die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche zu reduzieren. Insbesondere Abbrüche zu einem späten Zeitpunkt der Schwangerschaft bräuchten klare Regeln. Einen zentralen Diskussionspunkt bildete die Frage nach der Menschenwürde des Embryos, der, so beispielsweise Prof. Duttge, einen „blinden Fleck“ im Bericht darstelle. Diesem Einwand begegnete Frau Prof. Brosius-Gersdorf, indem sie ausführte, dass es für die Urteilsbildung der Fachkommission nicht als notwendig erachtet wurde, zum Begriff der Menschenwürde des Embryos ausführlich Stellung zu nehmen.

Abschluss und Höhepunkt der Fachtagung bildete die Podiumsdiskussion mit vier Abgeordneten des Deutschen Bundestages, die von Prof. Dr. Oliver Tolmein, Fachanwalt für Medizinrecht in Hamburg geleitet wurde. Zu Beginn der Diskussion bemängelte Maria Klein-Schmeink (Bündnis 90/Die Grünen), Mitglied im Gesundheitsausschuss, gravierende Defizite in der medizinischen Versorgung bei Schwangerschaftsabbrüchen. Sie brachte diese auch in Zusammenhang mit der prinzipiellen Strafbarkeit von Abtreibungen, die Ärzte dazu brächten, diese nicht durchzuführen. Darüber hinaus würden in Kliniken mit kirchlicher Trägerschaft Abtreibungen nicht durchgeführt. Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU), Vorsitzende des Rechtsausschusses im Deutschen Bundestag, betonte hingegen die in §218a festgeschriebenen Regelungen, u.a. die Beratungspflicht. Die CDU/CSU-Fraktion wolle an der Beratungspflicht festhalten, während Frau Klein-Schmeink und Leni Breymaier (SPD), diese Pflicht in ein Angebot für betroffene Frauen geändert sehen wollen. Letztere betonte, dass bei einem „Recht auf Beratung“, das auch von der o.g. Fachkommission gefordert wird, ein breites Beratungsangebot vorgehalten werden müsse. Dr. Thorsten Lieb (FDP), Mitglied im Rechtsausschuss, erläuterte, dass bei der Frage um eine Reform des Abtreibungsrechtes im Hinblick auf seine Bundestagsfraktion kein grundsätzlicher Handlungsbedarf gesehen werde. Wie die Rednerinnen vor ihm sah er auch die Notwendigkeit für Weiterentwicklungen in verschiedenen Bereichen, so in der Versorgung – wobei er hier insbesondere die Bundesländer in der Verantwortung sieht - oder im Umgang mit Spätabbrüchen, trat aber für die Beibehaltung der jetzt geltenden rechtlichen Regelungen ein. Zum Abschluss fasste Elisabeth Winkelmeier-Becker das zentrale Anliegen aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit den Worten zusammen: „Es geht darum, zu helfen und zu ermutigen, nicht in erster Linie um das Strafrecht!“

Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Fachtagung werteten diese als einen wichtigen Beitrag zur öffentlichen Debatte dieses gesellschaftlich außerordentlich bedeutenden Themas.

Die Görres-Gesellschaft dankt den Mitveranstaltern dieser Tagung, der Juristenvereinigung Lebensrecht e.V., der Forschungsstelle für Katholisches Kirchenrecht des Erzbistums Berlin sowie der Katholischen Akademie in Berlin, sehr herzlich für die hervorragende Zusammenarbeit!

Lesen Sie hier einen Beiterag der Zeitung "Die Tagespost" über die Tagung. 

 

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