Das Thema „Schöpfung und Verantwortung“ stand im Mittelpunkt der 126. Generalversammlung der Görres-Gesellschaft, die von Freitag, dem 27. September 2024 bis zum Sonntag, dem 29. September 2024 in Regensburg stattfand. Mehr als 300 Besucherinnen und Besucher nahmen an den rund 80 wissenschaftlichen Vorträgen und Rahmenveranstaltungen teil, die sich in der überwiegenden Mehrzahl der Sektionen mit dem Rahmenthema der diesjährigen Tagung „Schöpfung und Verantwortung" befassten. Das Programm der Tagung können Sie hier abrufen. Das Exposé zum Thema finden Sie hier. Eine Mitteilung der Deutschen Bischofskonferenz vom Sonntag, den 29. September 2024, finden Sie hier.
Festakt am Sonntag – Umweltethiker Markus Vogt fordert „Ökologischen Humanismus“
Einer der Höhepunkte der Tagung war der Festakt im Historischen Reichssaal in Regensburg am Sonntag, dem 29. September 2024. Zu diesem Festakt hatten Görres-Gesellschaft und Stadt Regensburg gemeinsam geladen, die Regensburger Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer zeigte in ihrer Begrüßung wichtige Wegmarken der Regensburger Stadtgeschichte auf. In seiner Festrede (zum Redetetext kommen Sie hier) widmete sich der Münchener Sozial- und Umweltethiker Prof. Dr. Markus Vogt dem Thema „Ökologischer Humanismus. Konturen einer christlichen Umweltethik“. Mit dem Begriff des „Ökologischen Humanismus“ schlug er eine menschenrechtlich fundierte Interpretation des Nachhaltigkeitskonzeptes vor. Dieses solle als viertes Sozialprinzip der katholischen Soziallehre – neben Personalität, Solidarität und Subsidiarität – anerkannt werden. Gleichzeitig sollte es als Übersetzung der ethisch-spirituellen Impulse christlicher Schöpfungstheologie in die Sprache von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft übertragen werden. Prof. Vogt versteht den Schöpfungsglauben als „Tat-Sache“, als Handlungsauftrag, zum Beispiel für eine klimaneutrale Kirche bis 2035. Als ethischer Kompass könne eine ökologische und vernunftrechtliche Relektüre des Naturrechts dienen, wofür sich an Vordenker der Görres-Gesellschaft anknüpfen ließe. Die spezifisch kirchliche Kompetenz verortete Markus Vogt vor allem in einer kulturellen Transformation hinsichtlich der ökosozialen Einbettung des Verständnisses von Fortschritt, Freiheit und Menschenrechten.
Neben der Festrede war die Verleihung des Ehrenrings der Görres-Gesellschaft an Prof. Dr. Dr. Hubert Kaufhold einer der Höhepunkt dieses Morgens. Seine immensen Verdienste um die Sektion „Kunde des christlichen Orients“ schilderte in seiner Laudatio der Leiter der Sektion Prof. Dr. Josef Rist.
Ein knappes Dutzend Mitglieder der Görres-Gesellschaft wurden zum Abschluss dieses Festaktes für ihre langjährige Mitgliedschaft geehrt, ein Mitglied ist der Gesellschaft 50 Jahre als Mitglied verbunden. Die Festrede von Görres-Präsident Prof. Dr. Engler finden Sie hier.
Festmesse im Regensburger Dom
Dem Festakt vorausgegangen war das Pontifikalamt im Regensburger Dom, das Bischof Dr. Rudolf Voderholzer feierlich zelebrierte. In seiner Predigt verknüpfte Bischof Voderholzer das Thema der Jahrestagung „Schöpfung und Verantwortung“ mit dem Sonntagsevangelium, in dem Jesus die Jünger zu ungeteilter Rechtschaffenheit im Hören auf Gottes Lebensweisung aufruft. Beide Anliegen seien in Papst Benedikts Projekt einer „Ökologie des Menschen“ aufgehoben (zum Predigtext kommen Sie hier).
Höchst dankbar nahmen die Mitglieder der Görres-Gesellschaft den herzlichen Empfang im Regensburger Dom auf. Mehrfach richtete sich Bischof Voderholzer persönlich an sie, Lesungen und Fürbitten wurden von Mitgliedern der Görres-Gesellschaft vorgetragen und acht Priester, die sich am Altar neben Bischof Voderholzer versammelt hatten, gehören ihr an. Einen Bericht auf der Seite des Bistums Regensburg finden Sie hier.
Innenminister Herrmann: „Christliche Werte in die Gesellschaft tragen“
Eine besondere Ehre wurde der Görres-Gesellschaft am Samstagabend zuteil, als der Bayerische Innenminister Joachim Herrmann anlässlich des Empfangs im Museum – Haus der Bayerischen Geschichte zu den Anwesenden sprach. Staatsminister Herrmann, der der Görres-Gesellschaft biographisch verbunden ist, weil sein Vater, Johannes Herrmann, von 1967 bis 1979 Generalsekretär der Görres-Gesellschaft war, betonte in seiner Ansprache die Bedeutung der Görres-Gesellschaft mit den Worten: "Die Görres-Gesellschaft ist für den akademischen wie auch für den publizistischen Diskurs in unserem Land von großer Bedeutung. Worüber hier diskutiert wird, schafft wichtige Impulse. Ihre Gesellschaft ist eine der renommiertesten Wissenschaftsgesellschaften im deutschsprachigen Raum."
Er forderte er die Görres-Gesellschaft und ihre Mitglieder dazu auf, für die christlichen Werte in unserer Gesellschaft einzutreten und diese in die Öffentlichkeit zu tragen. Bei der Görres-Gesellschaft sei das Bekenntnis zum christlichen Wertehorizont bei Veranstaltungen, Debatten und Publikationen spürbar, denn Forschung werde laut Herrmann nicht im moralisch und ethisch neutralen Raum ausgeübt. Wörtlich fügte Herrmann hinzu: "Vor dem Hintergrund aktueller Debatten um künstliche Intelligenz, dem notwendigen Ausgleich zwischen dem medizinisch Machbaren und Verantwortbaren und der ökologischen Herausforderung ist es großartig, dass Sie sich zu Ihrer Verantwortung bekennen – nicht nur im Rahmen Ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit, sondern auch für unsere demokratische Ordnung und unsere Gesellschaft." Einen Bericht können Sie auf der Internetseite von Joachim Herrmann nachlesen (hier). Die Rede von Staatsminister Herrmann können Sie hier nachlesen.
Im wissenschaftlichen Fokus: „Schöpfung und Verantwortung“
Den Auftakt der Tagung bildete am Freitag die Eröffnungsveranstaltung an der Regensburger Universität, wo die Görres-Gesellschaft auf Einladung von Uni-Präsident Prof. Dr. Udo Hebel zum sechsten Mal in ihrer Geschichte tagte. In seinen Grußworten hob Präsident Hebel u.a. die lange Vorgeschichte der Universität hervor, die 1962 gegründet wurde. Görres-Präsident Prof. Dr. Bernd Engler dankte für die erneute Bereitschaft der Universität, die Görres-Gesellschaft zu beherbergen (hier)
Einer der Höhepunkte der Eröffnungsveranstaltung war die Prämierung der beiden Erstplatzierten des Essay- bzw. Kreativwettbewerbs der Görres-Gesellschaft mit Verleihung der Urkunden an Jana Lobe und Dr. Marietta Hülsmann (eine Pressemitteilung der Leuphana-Universität Lüneburg, bei der Frau Dr. Hülsmann angestellt ist, finden Sie hier) durch die Vizepräsidentin der Görres-Gesellschaft, Frau Prof. Dr. Sabine Seichter (zu Details des Wettbewerbs hier).
Für einen ersten wissenschaftlichen Höhepunkt sorgte Prof. Dr. Klaus Unterburger von der LMU München mit seinem Vortrag „Wolfgang, Bischof von Regensburg, Heiliger Europas“, der die Bedeutung dieses Heiligen weit über Regensburg hinaus deutlich machte.
Die Görres-Gesellschaft setzte ihre Tagung am Samstag mit einem bewegenden morgendlichen Requiem für ihre verstorbenen Mitglieder in der Stiftskirche Unserer Lieben Frau zur Alten Kapelle fort, ehe das wissenschaftliche Tagungsgeschehen wieder in den Fokus rückte.
Einige Beispiele aus dem Tagungsprogramm: Die philosophische Sektion befasste sich mit theoretischen und praktischen Perspektiven der Verantwortung für die Natur. Die Pädagogik stellte ihre Veranstaltung unter das Thema "Kant, Nachhaltigkeit und KI“, die Geschichtswissenschaften warfen einen historischen Blick auf Schöpfung und Umweltschutz. Spannend war die Sektionsveranstaltung der Altertumswissenschaften, wo z.B. das Umweltbewusstsein in der Antike untersucht wird. Die Philologien hatten das Thema "Literarische Schöpfungsmythen“ als Leitbegriff für ihre Sitzung gewählt, während in den Religionswissenschaften u.a. über die Grundlagen einer Umweltethik, etwa im Islam und im Judentum diskutiert wurde; die Europäische Ethnologie widmete sich zusammen mit der Soziologie den "Mensch-Umwelt-Beziehungen im Anthropozän" und bei der Politikwissenschaft kam die "natürliche Politik" zur Sprache. Für engagierte Debatten sorgte bei den Wirtschaftswissenschaften die Podiumsdiskussion zum Thema "Klimawandel und wirtschaftliche Verantwortung“, für die u.a. der Siegener Kapitalismus-Kritiker Niko Paech nach Regensburg gekommen war. Die Geschöpflichkeit des Menschen war schließlich Gegenstand der Tagung der medizinischen Sektion in Regensburg. Darüber beschäftigte sich die rechts- und staatswissenschaftliche Sektion mit der "Verfassung der Europäischen Union", die Musikwissenschaften mit "SakralKlangRäumen".
Im Hinblick auf das Thema der Jahrestagung sagte Görres-Präsident Prof. Dr. Bernd Engler: „In der öffentlichen Wahrnehmung entsteht oft der einseitige Eindruck, dass Themen wie der Klimawandel, der Verlust von Biodiversität oder der verantwortungsvolle Umgang mit unseren natürlichen Ressourcen allein von Gruppierungen wie Greenpeace, Fridays for Future oder Last Generation adressiert werden. Wir sollten uns aber bewusst machen, dass erst die Wissenschaft die Grundlagen für die Analyse der globalen Fehlentwicklungen ebenso wie für klimawirksame Lösungsansätze bietet. Die Görres-Gesellschaft kann mit der Bandbreite ihrer wissenschaftlichen Disziplinen gewiss ebenfalls einen Beitrag zu dieser Bewusstmachung leisten. Keineswegs zu vernachlässigen sind bei allen Diskussionen zudem die nachdrücklichen Äußerungen von Vertretern unterschiedlicher Religionen. So hat sich allen voran Papst Franziskus – etwa in seiner Enzyklika Laudato Si aus dem Jahr 2015, aber auch in seinem Apostolischen Schreiben Laudate Deum aus dem Jahr 2023 – sehr ausführlich mit der globalen Klimakrise und den daraus insbesondere in den ärmeren Regionen der Welt resultierenden sozialen Ungerechtigkeiten befasst und zu einem radikalen Umdenken aufgerufen.“
Bemerkenswert war die große Zahl von Angehörigen des wissenschaftlichen Nachwuchses, die den Weg nach Regensburg gefunden hatten und eine bedeutende Gruppe unter den mehr als 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmern bildeten. Nach dem Empfang am Samstag Abend traf sich die Gruppe nochmals, im Lokal „Klappe“ und diskutierte die Eindrücke der Tagung.